April 5, 2009

American Peace Activists in Tübingen

On April 1st, 2009 Joseph Gerson and Matthis Chiroux visited Tübingen and spoke in front of an audience of about 40. The following article in the local German paper is a good report on the evening.

Barack Obama ist schließlich nicht Gandhi
(3.4.09, Schwäbisches Tagblatt, Tübingen)

Zwei Vertreter der amerikanischen Friedensbewegung sprachen in Tübingen über die Militärstrategie der USA

Vor ihrem Auftritt beim Protest gegen den Nato-Gipfel am Wochenende erklärten zwei Amerikaner auf Einladung der Linken am Mittwoch in Tübingen ihre Sicht auf die amerikanischen Kriege und die Rolle der Nato.

Wir haben die Völker versklavt.“ Matthis Chiroux findet drastische Worte für das amerikanische Vorgehen in Irak und Afghanistan. Der 25-Jährige hat unmittelbare Erfahrung. Er arbeitete fünf Jahre lang in der strategischen Kommunikation des US-Militärs. „Meine Aufgabe war, die Nato als Friedenstruppe zu verkaufen und die Kriege in Irak und Afghanistan als gute Kriege.“

Am Mittwochabend war er auf Einladung der Bundestagsabgeordneten Heike Hänsel von der Partei Die Linke zu einem Vortrag im Schlatterhaus gekommen. Ihm zur Seite stand Joseph Gerson, mit 62 Jahren ein in Amerika bekannter Vertreter der Friedensbewegung. Er verzichtete auf so drastische Worte wie Chiroux, sprach aber nicht weniger deutlich.

Den Afghanistan-Krieg skizziert er mit wenigen Strichen: Er sei kein Krieg gegen den Terror, den könne Militär gar nicht gewinnen. Es gehe um Rohstoffe und um die alte Strategie, die Ränder des eurasischen Kontinents unter Kontrolle zu bringen. Er beschrieb das komplizierte Machtgefüge, in dem die Taliban nur ein kleines Element seien zwischen Pakistan und Indien.

Aus Gersons Sicht wird der nächste Schritt der amerikanischen Regierung sein, in Afghanistan eine neue Regierung aus den Kriegsfürsten, den „War-Lords“, der Region zu bilden. Mit den mehr als 20 000 zusätzlichen Soldaten, die Präsident Obama nun schickt, solle Zeit für diese Umbildung gewonnen werden. Das in Deutschland dominierende Ideal-Bild von Obama teilt Gerson nicht. „Wir haben nicht Martin Luther King gewählt oder Mahatma Gandhi, sondern einen Politiker.“

Als Politiker müsse Obama den Druck von links und der Friedensbewegung spüren, um nicht viel zu viel von der Vorgehensweise seines Amtsvorgängers zu übernehmen. Für Gerson ist es zentral, die Konflikte um Rohstoffe zu entschärfen. Um weitere Kriege zu verhindern, dürfe der Wettbewerb um Rohstoffe mit Russland, China und Indien nicht an Schärfe zunehmen.

Sein junger Gegenpart Chiroux, mit dem er zusammen auch bei den Veranstaltungen gegen den Nato-Gipfel am Wochenende teilnehmen wird, schätzt den zentralen Antrieb der kriegerischen Interventionen anders ein. Für ihn sind die Kriege rassistische Kriege. Ihm geht das Wort „Sandnigger“ (Sandneger) nicht aus dem Kopf, das er immer wieder als Bezeichnung für Moslems gehört hat. „Nur weil wir einen schwarzen Präsidenten gewählt haben, heißt das noch lange nicht, dass wir keinen rassistischen Krieg führen können.“ Und später: „Erst wenn wir einen Moslem als normalen Menschen akzeptieren und nicht als Terroristen, hat die friedliche Entwicklung eine Chance.“

Aus eigener Anschauung weiß er auch, dass die verbreitete Vorstellung, Militär könnte „nation building“ betreiben, also einen Staat aufbauen, falsch sei. Zunächst gehe es einfach um Besatzung. Dann gelte: „Militär baut keine Staaten auf, es zerstört Staaten, notfalls im direkten Nahkampf.“

Für die Rolle der Nato fand Chiroux ein Bild aus der Computer-Technik. Amerikanische Militärs nutzten die Nato-Verbündeten genauso wie andere Alliierte für einen „Plug-and-Play-Imperialismus“. Um weltweit die amerikanischen Interessen vertreten zu können, würden die einzelnen Staaten nach Belieben in die Militärstrategie eingebaut.

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